12.05.1921 in Kleve - 24.01.1986 Düsseldorf
Joseph Beuys wurde am 12. Mai 1921 in Kleve geboren. Nach seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf setzte Beuys seine Ausbildung bei Mataré fort. 1961 bis 1972 kehrte er als Professor für Bildhauerei nach Düsseldorf zurück.
Beuys hat ein sehr vielschichtiges Werk. Er war Maler, ein hervorragender Zeichner, Bildhauer und Objektkünstler. Einen großen Teil seines Werkes bestimmen Plakate, Bücher, Zettel, Zeitungen und natürlich auch Texte - öffentliche Auseinandersetzungen und Diskussionen - über den richtigen Weg.
Zumeist sind der Allgemeinheit, die sich mit Kunst eher nur nebenbei beschäftigt, die zeitweise sehr umstrittenen Objekte des Künstlers bekannt geworden, wie z.B. der Butterfleck an der Wand, eine bemalte Badewanne, das Pflanzen von Bäumen oder das Durchbohren einer Fensterscheibe mit einem Queue. Ihre Umstrittenheit hatte weniger mit den Inhalten zu tun, die diese Aktionen transportieren sollten, als mit der sehr oberflächlichen Herangehensweise, mit der wir in unserer Zeit Sinn und Unsinn, Wert und Unwert einer Sache überziehen und mit dem auch in den Medien sich mehr und mehr verbreitenden Desinteresse an dem tieferen Einsteigen in eine uns so erscheinende bizarre Gedankenwelt, die dann tatsächlich aber in einem direkten Zusammenhang mit unserem heutigen Leben, mit unserer Geschichte und den damit verbundenen Mythen und natürlich auch der Evolution, einfach des Lebens in Zusammenhang steht. Bei genauerer Beschäftigung und beim Einlassen auf die von Künstlern wie Beuys gestellte; inhaltliche Basis finden sich Zusammenhänge, die einem noch während der Auseinandersetzung logisch erscheinen und sich fragen lassen, warum wir sie täglich leben, ohne sie wahrzunehmen oder durch Hinterfragen zu verstehen suchen.
Am Beginn des malerischen Werkes standen Zeichnungen und Aquarelle, die, wie die frühen Plastiken noch durchaus realitätsbezogen waren, wobei den verformten Figuren ein symbolhafter Sinn zukommt. Doch dann setzte sich Ende der 50er Jahre mit dem Anschluss an die Aktionskunst der »Fluxus«-Bewegung eine dem bisherigen Kunstbetrieb gegenüber kritische und provokative Haltung durch.
Beuys wollte durch Improvisationen und Miteinbeziehung der Zuschauer die Erlebnisfähigkeit steigern. Grundlage ist dabei sein allgemeiner Kunstbegriff, wonach alle Äußerungen und Tätigkeiten des menschlichen Lebens als Kunst gelten - die Gesellschaft ein über das Einzelkunstwerk hinausgehendes Gesamtkunstwerk ist, wonach die evolutionäre Regeneration die Basis allen Seins und Handelns ist.
In diesem Zusammenhang darf die Erwähnung der »Funktionalität des Hasen« bei Beuys, so die Überschrift einer Einführung eines Bandes über dieses Thema der Galerie Heinz Holtmann, in der Beuys´ Definition des Kunstbegriffs am Beispiel des von dem Künstler am häufigsten dargestellten Tieres erläutert wird, nicht fehlen. Der sich auf seine Hinterläufe setzende und damit dem Menschen in seinem Sitz- und Gehverhalten ähnlich erscheinende Hase flieht bei Gefahr nicht unentwegt weiter, sondern legt sich auf den Boden, macht sich ganz flach, als wolle er zum Teil der Erde werden, als würde er sein derzeitiges »Hase-Sein« aufgeben und sich geistig in eine andere Welt hinwegentwickeln, um anschließend, wenn die Gefahr vorüber ist, erneut als Hase zu inkarnieren. So reagiert der Hase intuitiv immer wieder, was Beuys gleichsetzte mit dem ewigen Kreislauf von Leben und Tod.
Die Entscheidung des Künstlers Tiere darzustellen, hängt nicht mit ästhetischen Gesichtspunkten oder einer bestimmten Symbolik zusammen, sondern damit, dass für Beuys Tiere Träger bestimmter Energiefunktionen sind. Es konnte daher nicht um die Symbolfunktion der Handlung gehen, sondern um die »Re-Aktivierung«. Beuys bietet dem Betrachter das Nachvollziehen von Bewegungen an und insbesondere das Nachvollziehen einer Denkbewegung. Hier finden wir wieder den Ausgangspunkt, wie eben erwähnt, wonach der Künstler durch Improvisationen und Miteinbeziehung der Zuschauer die Erlebnisfähigkeit steigern wollte - auch ein pädagogischer Ansatz.
Ein weiteres Beispiel: eine Kasse mit Fotos: Die Fotos in dieser Kassette zeigen den Künstler in Badehose, an einem Strand Tiere und Menschen darstellen, aus der Erde heraus ein Kunstwerk erschaffen, den Sand weiterentwickelnd, wie es auch durch eine Fußspur, einen Händeabdruck oder ein Stück Treibholz hätte erfolgen können, im Bewusstsein, dass gleich die Flut das Werk mit sich nehmen wird, es verschwinden lässt, - das dann eigentlich nicht wirklich weg ist, sondern nur zurück, wo es hergekommen ist, zurück zur Natur, zur Mutter Erde, ein Kommen und Gehen, Leben-Tod.
So führt dieses Gedankengut sich auch in der Bildhauerei des Künstlers fort. Sein erweiterter Kunstbegriff, mal anders formuliert, Kreativität als Volksvermögen, führte zu einer vielschichtigen Auffassung von Plastik. Das mit den Augen und den Sinnen Aufnehm- und Wahrnehmbare ist hier nur ein Teil eines viel weitergehenden, ganzheitlichen Kunstwollens. Denken und Sprechen haben eine zentrale plastische Bedeutung. Die physische Materialität einer Skulptur soll Kräfte- und Wärmeverhältnisse, menschliche Beziehungen und gesellschaftliche Strukturen und - auch hier wieder - Leben und Tod erfahrbar machen. So bleibt sein Objekt »Die Empfehlung«, das Sie oben betrachten können, nicht einfach nur ein signierter Fettbrief, sondern zeigt auch Verhaltensmuster in unserer Gesellschaft auf, Erziehungsprozesse, denen wir alle unterliegen, stellt Fragen nach dem Sinn, sucht und findet sogar einen Zusammenhang zwischen einer Empfehlung und dem sehr menschlichen Fettfleck auf dem Papier.
Da das Kunstwerk als Erkenntnisprozess und als Zukunftsmodell eine innovative gesellschaftsbezogene Rolle einnimmt, resultierte naturgemäß daraus das politische Engagement des Künstlers, das ganz besonders stark in seiner umweltpolitischen Betrachtung deutlich wird. Beuys lässt die alltäglichen Dinge, die das größte aller Kunstwerke - nämlich die Gesellschaft, als Kunstwerk über alle einzelnen Kunstwerke stehendes und größtes, bedeutendstes von Menschen hervorgebrachte - er lässt die alltäglichen Dinge also ebenso zum Teil seines Kunstschaffens werden, wie auch alles, woraus eben all das entstanden ist: Die Natur. Die Natur, die wir nur kopieren können, die es uns ermöglicht, sie immer wieder neu zu interpretieren und lediglich zwei Punkte in einer Vielzahl von Punkten festlegt. Den Beginn und das Ende, das Ende als einen Zwischenstopp.
Als einer der wenigen deutschen Gegenwartskünstler fand Beuys internationale Anerkennung. So in einer großen Retrospektive im Guggenheim Museum, New York im Jahre 1979, dies zu Recht, war er doch einer der wenigen Künstler mit Visionen, in allen seinen Tätigkeitsfeldern von einer Philosophie geleitet, die es ihm ermöglichte, als Pädagoge nicht nur eine gesamte Künstlergeneration zu prägen, sondern jede Freiheit zu lassen, im Denken und Handeln, jedes Verständnis zu geben, sich einzubringen, ohne zu nehmen, sich einzulassen auf die ganz einfachen und selbstverständlichsten Dinge unseres Seins, das Kommen und Gehen, Gebären und Töten, aus der Natur kommen, mit ihr sein und zu ihr zurückfinden.
Joseph Beuys verstarb am 24. Januar 1986 in Düsseldorf.
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