Vermittlung von Kunst und Kultur
Vermittlung von Kunst und Kultur

Gegen das Vergessen

Auszug aus dem die Wanderausstellung begleitenden gleichnamigen Buch

Die jüdische Geschichte war in Deutschland, in Europa und ist in der Welt ein wichtiger Teil der Entwicklung von modernen Gesellschaften, ein wichtiger Teil der Bildenden Kunst, der Literatur, der Musik und des Theaters, der Ökonomie, der Medizin und sonstiger Wissenschaften, und es ist den Stiftern ein Anliegen, nach dem ersten Stiftungszweck eben diese zu unterstützen und dazu beizutragen, dass diese immer ein Bestandteil menschlicher und gesellschaftlicher Entwicklung sein wird.

 
Aus der Satzung der François Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur § 12
 
 
Im Begleitbuch befinden sich Textbeiträge von
 
Dr. Martin Antonow (Oberbürgermeister Große Kreisstadt Brand-Erbisdorf),
Steffen Blech (Bürgermeister a.D. Stadt Waldheim),
Matthias Damm (Landrat Landkreis Mittelsachsen),
Frank Dehne (Oberbürgermeister Große Kreisstadt Rochlitz),
Tobias Goth (Bürgermeister Stadt Leisnig),
Dieter Greysinger (Bürgermeister Stadt Hainichen),
Reiner Hentschel (Bürgermeister Stadt Frauenstein),
Volker Holuscha (Oberbürgermeister Große Kreisstadt Flöha),
Michael Kretschmer (Ministerpräsident Freistaat Sachsen),
Dr. med. Rudolf Wilhelm Lehle (Fraktionsvorsitzender CDU Stadtrat Große Kreisstadt Döbeln),
Veit Lindner (Bürgermeister Stadt Roßwein),
Nikola-Gunnar Lüttgenau (Stiftungen Buchenwald und Mittelbau-Dora),
Dr. phil. Anita Maaß (Bürgermeisterin Stadt Lommatzsch),
François Maher Presley,
Dietmar Saft (Pfarrer in Lommatzsch),
Stefan Schneider (Bürgermeister Stadt Oederan),
Ralf Schreiber (Oberbürgermeister Hochschulstradt Mittweida)
 
 
Aufklärung ist Abwehr
 
Simon Wiesenthal (31.12.1908-20.09.2005)
 
 
Lebendiger Tod
 
Drei Gedichte von François Maher Presley
 
früh zog er aus
um die welt zu verändern
das böse sollte nun gut werden
das dunkle hell
die traurigkeit freude
nun endlich sollte hass - liebe sein
und auf narben sollten bluten wachsen
spät kam er zurück
und die welt hatte sich nicht geändert
er war nun böse
und lebte im dunkel
seine freude war verflogen
in ihm nur hass
und seine blüten waren bedeckt mit narben
 
1983
 
 
mehr und mehr menschentransporte
unaufhaltsames fahren in den bahnhof
kinder frauen männer wurden entladen - 
wie vieh - nummeriert
umgeben und bedrängt von uniformierten
energisch die stimme des offiziers am mikrofon
meine blicke schweiften im scheinwerferlicht -
dem kalten - dem alles und jeden erfassenden
endlich erblickte ich dich
deine verweinten äugen
dein angeschwollenes gesicht
dein kurzes haar
wir liefen aufeinander zu
stärker als je zuvor umarmten wir uns
erdrückend den stern - den gelben stern
auf deiner brust
 
1984
 
 
ich fühlte mein herz doch tat es nicht pochen
ich sah meinen körper er bestand nur aus knochen
und doch lebte ich als ich erwacht’
und es war dunkel - bei tag und bei nacht
 
1979

Auswahl von Zeichnungen von Thomas Geve, ehemaliger Lagerinsasse. In der Ausstellung werden 75 Zeichnungen gezeigt.

Ankunft an der Rampe.
 
„Auschwitz, Juni 1943. Ich bin 13 Jahre alt. Selektion. Entscheidung zwischen Leben und Tod. Mein Vater ist in England und kämpft zusammen mit den Alliierten. Von meiner Mutter werde ich getrennt. Sie überlebte die Lagerzeit nicht. Lieblingstante Ruth sagte mir einst, dass es ‚gute‘ und ‚böse‘ Menschen geben würde, überall und zu jeder Zeit. “
Desinfektion - Eintätowieren der Häftlingsnummer.
 
„Wir gingen weiter zu den Tischen. Ein junger russischer Häftling nahm
meinen linken Arm und begann ihn mit einer Parallelfeder, die er in blaue Tinte tauchte, zu tätowieren. Er machte es sanft, vielleicht sogar vorsichtig, aber es schmerzte trotzdem wie ein unaufhörlicher Stich unzähliger Nadeln. (...) Ein unbedeutender Name war zu einer unbedeutenden Nummer geworden. Ein männlicher ‚Schutzhäftling‘ mehr füllte
die unvermeidlichen Formulare aus. Mehr als 100.000 andere hatten vor mir das Gleiche getan, in doppelter Ausführung: eine für das Lager,
die andere für die Gestapo.“
 
Geraubte Kindheit, 2000, S. 60 f.
Selektionen.
 
„Bald erlebten wir wieder eine von den gefürchteten Auslesen, bei denen Häftlinge, die ihren Herren keinen Profit mehr versprachen, für die Todesfabriken in Birkenau herausgesucht wurden. Nach dem Abendappell musste das gesamte Lager zum Birkenweg marschieren, das war der Fahrweg, der zum Badehaus führte. Auf einer Seite waren die elektrisch geladenen Drähte und auf der anderen die Wachtposten – an eine Flucht aus dieser Gasse war also nicht zu denken. Unsere Stimmung hatte schon ihren tiefsten Punkt erreicht, und wir warteten stundenlang, während die riesige Schlange sich im Schneckentempo in die Untersuchungsräume bewegte. Das unheimliche Schweigen war unterbrochen durch ein einsames Geklapper, das aus der Hauptstraße widerhallte. Es waren die eiligen Schritte der Glücklichen, die die Prüfung berstanden hatten. Manche von uns beteten. Einige dachten an zu Hause. Anderen – die bereits die Hoffnung auf ein Überleben aufgegeben hatten – schien es gleichgültig zu sein, wenn das Schicksal sie abberufen würde.“
 
Geraubte Kindheit, 2000, S.101 f.
Sklavenarbeit.
 
„Man wies mir eine neue Beschäftigung im Baustofflager zu, bei dem größten und langweiligsten Arbeitskommando überhaupt. Es war tausend Mann stark und setzte sich zum größten Teil aus Neulingen, ungelernten Arbeitern, zusammen – das waren die Arbeitssklaven mit dem geringsten Wert. Die Arbeit war schwer. Wir mussten Eisenbahnwaggons mit Mauersteinen, Zement und Splitt entladen und zwar nach einem festgelegten Zeitplan, der nur durch schnelles Tempo und Überstunden eingehalten werden konnte. Gab es nichts auszuladen, so wurden wir damit beschäftigt, das Baumaterial zu Pyramiden aufzutürmen, oder was noch schlimmer war, es einfach von einem Stapel zum anderen zu tragen. So verbrachten wir unsere Tage damit, Block für Block, Bohle für Bohle zu schleppen, und dabei quälte uns der Gedanke, dass wir nur noch lebten, um als menschliche Schubkarren, als moderne Galeerensklaven zu enden.“
 
Geraubte Kindheit, 2000, S. 120
Eine Gaskammer.
 
„Dann kam eines Tages der Befehl, sie zu liquidieren, Männer, Frauen und Kinder. Als sie sich hilflos zu den Gaskammern schleppten, begegneten sie einem Offizier, der nach Anwärtern für die Maurerschule suchte. Schorsch war gerettet. Von Schorsch hörte ich auch den ersten Augenzeugenbericht über den Totenwald von Birkenau. Es kam mir zu Bewusstsein, dass wir das gleiche erlitten, und ich interessierte mich immer mehr für meine Zigeunerbekannten.“
 
Geraubte Kindheit, 2000, S. 123 f.
 
„Eigentlich gab es in Auschwitz keinen ‚versenkbaren Boden‘ wie in meiner Zeichnung, sondern große Aufzüge. Heute wissen Historiker genau, welche Gaskammern es gab, wo und wann.“
 
Buchenwaldlied
 
Wenn der Tag erwacht, eh’ die Sonne lacht,
die Kolonnen ziehn zu des Tages Mühn
hinein in den grauenden Morgen.
Und der Wald ist schwarz und der Himmel rot,
und wir tragen im Brotsack ein Stückchen Brot
und im Herzen, im Herzen die Sorgen.
O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen,
weil du mein Schicksal bist.
Wer dich verließ, der kann es erst ermessen,
wie wundervoll die Freiheit ist!
O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen,
und was auch unser Schicksal sei,
wir wollen trotzdem ja zum Leben sagen,
denn einmal kommt der Tag: dann sind wir frei!
Und das Blut ist heiß und das Mädel fern,
und der Wind singt leis, und ich hab’ sie so gern,
wenn treu sie, ja treu sie nur bliebe!
Und die Steine sind hart, aber fest unser Tritt,
und wir tragen die Picken und Spaten mit
und im Herzen, im Herzen die Liebe.
O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen …
Und die Nacht ist kurz, und der Tag ist so lang,
doch ein Lied erklingt, das die Heimat sang:
wir lassen den Mut uns nicht rauben.
Halte Schritt, Kamerad, und verlier nicht den Mut,
denn wir tragen den Willen zum Leben im Blut
und im Herzen, im Herzen den Glauben.
O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen …
 
Fritz Löhner-Beda, Hermann Leopoldi (1938)
 
Die Moorsoldaten
(Lagerlied von Börgermoor)
 
Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
 
Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
 
Heimwärts, heimwärts jeder sehnet,
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
Vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor.
 
Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann‘s nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.
Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!
 
Text: Johann Esser, Wolfgang Langhoff (1933)
Musik: Rudi Goguel (1933)
 
 
Alfred Stüber
Deutscher Häftling (Zeuge Jehovas)
13. Februar 1904 in Reutlingen
16. Januar 1981 in Reutlingen
 
Alfred Stüber ist der älteste Sohn eines Polizeikommissars in Reutlingen. Eine Berufsausbildung am dortigen Technikum bricht er 1923 ab und bestreitet seine Existenz fortan als Lohnstricker. 1928 gründet Alfred Stüber eine Versandfirma für Kosmetik- und Gesundheitsprodukte, ein Jahr später heiratet er. Nach dem frühen Tod seiner Frau durch Leukämie geht er 1931 eine weitere Ehe ein und wird Vater eines Sohnes. Unter dem Einfluss seiner tief religiösen Mutter wendet Alfred Stüber sich bereits als Jugendlicher der „Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher“ zu. In Württemberg werden die Zeugen Jehovas im Februar 1934 durch die Nationalsozialisten verboten. Alfred Stüber ist jedoch entsprechend seines Glaubens weiterhin aktiv; in seiner Wohnung vervielfältigt er illegale Schriften.
 
Im Oktober 1937 wird Alfred Stüber verhaftet und am 28. Mai 1938 in das KZ Buchenwald eingeliefert. Der Druck, dem die Zeugen Jehovas im Lager ausgesetzt sind, mindert sich für ihn schließlich durch seine Einweisung in die Fotoabteilung, wo auch andere Bibelforscher im Auftrag der SS erkennungsdienstliche Aufnahmen der Gefangenen machen müssen.
 
Im April und Mai 1945 fotografiert er im Auftrag des Internationalen Lagerkomitees das befreite Buchenwald. Die Fotos werden noch im Lager für die in ihre Heimatorte zurückkehrenden Häftlinge vervielfältigt. Für sich selbst fertigt er Diapositive an und hält in der näheren Umgebung Reutlingens eine Folge sehr gut besuchter Lichtbildervorträge. Für die Einleitung seines Vortrages hält er auf einem Handzettel fest: „Spreche nicht im Auftrag oder Namen irgendeiner Organisation. Nur berichten, was ich selbst erlebt ... Aber auch davon nur Bruchteil, denn was in diesen Konzentrationslagern geschehen ist, kann man einfach nicht wiedergeben!“.
 
In den Nachkriegsjahren gelingt es Alfred Stüber erst nach einigen Schwierigkeiten, seinen Handel mit Kosmetik und Reformartikeln wiederaufzunehmen und auszubauen.
 
Im Katalog sind 50 Fotoaufnahmen zu sehen. Hier eine kleine Auswahl.

"Leichen, Leichen!!"

„Keller im Krema.
 
An der Wand ist noch ein Teil der Löcher zu sehen die von 48 Haken herrühren, an denen Häftlinge aufgehängt worden waren. 2 sind übriggeblieben. Bei ‚Hochbetrieb‘ reichten die Haken jedoch nicht aus, um die Opfer, nämlich: Schutzhäftlinge, anglo-amer. Flieger von der Gestapo zur Liquidierung Eingelieferte unter ihnen auch Frauen unterzubringen. In diesem Falle wurde an einen Haken, an dem schon einer baumelte noch eine weitere Person dazugehängt. Ob der ‚Vordermann‘ noch lebte, spielte dabei keine besondere Rolle.
 
Uebrigens wurde die Exekution nicht in der üblichen Weise vorgenommen, wobei der Tod durch Bruch des Genickwirbels sofort eintritt, sondern der Verurteilte wurde durch 2 im Krematorium beschäftigte Häftlinge ( Berufsverbrecher ) hochgehoben, ein Scharführer legte ihm den Strick um den Hals und das Opfer musste minutenlang zu Tode zappeln. Falls der Verurteilte bei der Abnahme vom Haken noch lebte, wurde er mit der in der Ecke sichtbaren Keule vollends totgeschlagen. Dann ging es in den Ofen des Krematoriums.“

"Leichen, Leichen!!"

"Ofen des Krematoriums"

François Maher Presley

Stiftung für Kunst und Kultur
(Gemeinnützige Treuhandstiftung unter dem Dach der Haspa Hamburg Stiftung)
Ecke Adolphsplatz 3, Großer Burstah
20457 Hamburg

 

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