Vermittlung von Kunst und Kultur
Vermittlung von Kunst und Kultur

Gegen das Vergessen, Wanderausstellung 13. Station

Programm zur Vernissage der Ausstellung am Samstag, 06.11.2022, 11 Uhr

Dauer: 19.10.2022 bis 31.01.2023

 

im Kommunikations- und Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Konzentrationslager Sachsenburg in der Garnisonsstadt Frankenberg

 

Begrüßung durch Thomas Firmenich, Bürgermeister

 

Grußwort durch Steffen Blech für die FMP-Stiftung (Bürgermeister a.D. Waldheim)

 

Einführung durch Dr. Mykola Borovyk

 

Musikalischer Rahmen durch das "Blockflötentrio" JugendKunstSchule Frankenberg unter Leitung von Janica Stand

Falko Schurig, Stellvertretender Bürgermeister der Stadt Frankenberg

 

Werte Gäste und Besucher,

 

ich begrüße Sie im Namen des Bürgermeisters Herrn Firmenich, die Damen und Herren des Stadtrates sowie den an der Vorbereitung beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung zur Eröffnung der Wanderausstellung „Gegen das Vergessen“. Besonders begrüße ich den Bürgermeister a.D. der Stadt Waldheim Herrn Steffen Blech. Mein Dank gilt auch den jungen Musikschülerinnen und Schülern, die unter der Leitung von Frau Stand für die feierliche Umrahmung sorgen.

 

Wir befinden uns hier an einem Ort, dessen Geschichte unbedingt bewahrt werden muss. Hier in Sachsenburg gab es ein frühes Konzentrationslager, welches einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der Konzentrationslager, wie KZ Auschwitz, leistete. Der Titel der Ausstellung „Gegen das Vergessen“ muss für die Stadt Frankenberg Ansporn sein, festzuhalten, am Plan der Weiterentwicklung zum Ort der politischen Auseinandersetzung mit der grauenvollen Geschichte des Nationalsozialismus. Unbedingt muss der Bau der Gedenkstätte KZ Sachsenburg vorangetrieben werden.

 

Sicher ist es Ihnen nicht entgangen, dass ein Wichtiges Gebäude auf dem Gelände des frühen Konzentrationslagers Sachsenburg, die „Kommandantenvilla“, abgerissen wurde. Das Schicksal des Gebäudes hat viele Kontroversen und Diskussionen verursacht. Persönlich habe ich mir den Erhalt auch gewünscht. Doch  Bilder aus dem Inneren der Villa haben mir gezeigt, dass der Erhalt nicht möglich war. Trotzt des Abrisses des Gebäudes muss nun die Umgestaltung des Geländes zu einem würdigen Ort des Mahnens und Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus folgen.

 

Vielen Dank.

Steffen Blech, Stiftungsbotscher und Bürgermeister a.D. Waldheim

Sehr geehrte Damen und Herren,                 

ich freue mich, heute anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Gegen das Vergessen“ stellvertretend für den Vorstand der „Francois Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur“ aus Hamburg, einige Worte an Sie richten zu können.

Seit etwas mehr als sechs Jahren ist die Stiftung in Sachsen, speziell im mittelsächsischen Raum, ehrenamtlich tätig. Sie hat sich die Aufgabe gesetzt, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Kunst und Kultur in Kontakt zu bringen, darüber hinaus auch für die Historie und für gesellschaftspolitische Themen zu interessieren.

Im Laufe dieser Jahre wurden für knapp 1.000 Schülerinnen und Schüler über 3.000 Theaterkarten gestiftet, um so vielen ein erstmaliges und einmaliges kulturelles Erlebnis zu verschaffen. Ebenso wurden zahlreiche Lesungen an verschiedenen Schulen oder in Museen durchgeführt, die insgesamt über 1.000 Kinder erreichten. Gerade noch in diesem Sommer wurde das Projekt der Stiftung „Prinzessin Francois und der königliche Geschichtenerzähler“ in der „Burg der Märchen“ auf der Burg Kriebstein in Zusammenarbeit mit dem „Mittelsächsischen Kultursommer e.V.“ erfolgreich vor ca. 2.300 Besucherinnen und Besuchern aufgeführt. Zu den ungezählt vielen Aktivitäten zählten und zählen regelmäßige Malwettbewerbe an Schulen und auch solche, die sich direkt an die Kinder richten, Förderungen von Museumsbesuchen, museumspädagogische Dienste, museale Ausstellungen aus eigenen Kunstbeständen, musikalische Veranstaltungen und sehr viele Ausstellungen in der stiftungseigenen Galerie in Waldheim, die künstlerisch Talentierten kostenlos zur Verfügung steht sowie Präsentationen an diversen anderen Ausstellungsorten in Sachsen. Eine weitere Galerie widmet sich in einer in Deutschland und Sachsen einmaligen, stehenden Ausstellung der „Resozialisierung durch Kunst und Kultur“ von Strafgefangenen.

Heute sehen Sie Zeichnungen des damals 14 -jährigen Thomas Geve, die er minutiös auf kleinen NS-Notizblöcken gefertigt hat und die den Tagesablauf, eher aber den Schrecken und die Grausamkeit in den Konzentrationslagern festhalten. Erst einmal scheinen sie den Betrachterinnen und Betrachtern als kindlich, doch gerade diese Kindlichkeit der Darstellung hinterlässt bei genauerer Beschäftigung dann einen nachhaltigen Eindruck davon, was Babys, Kinder, Frauen und Männer in damaligen Lagern ertragen mussten, bevor Millionen von Ihnen auf bestialische und unterschiedliche Art und Weise getötet wurden. Die Schrecken sind für keinen Menschen erfassbar. Für den jungen Thomas brannten sich die Ereignisse bis heute tief in sein Wesen.

Das Begleitbuch zu dieser Wanderausstellung, deren 13. Station nun Frankenberg ist, zeigt darüber hinaus erstmalig in ihrer Vollständigkeit und Zusammenstellung Fotos, die der überlebende Alfred Stüber aufgenommen hat. Beeindruckend sind die Bildunterschriften, die in sehr sachlichem Ton die dortigen Erlebnisse bezeugen und erschüttern lassen. Ein Beitrag beschäftigt sich auch mit dem grauenhaften Wüten deutscher Truppen in der Ukraine, wenngleich vor dem russischen Angriffskrieg geschrieben, so doch auch als ein Hinweis zur verstehen, was Großmächte dem ukrainischen Volk seit mehr als einem Jahrhundert angetan haben und in Erinnerung daran, dass es eben dieses Land ist, dass eines der Hauptkriegsschauplätze gewesen ist, so wie es heute wieder dem Größenwahn einer Gruppe oder Teilen eines Volkes ausgesetzt wird.

Unser Dank gilt Herrn Landrat a.D. Matthias Damm, der das Engagement der Stiftung stetig und aktiv begleitet hat, so auch diese Ausstellungsserie als Schirmherr, Herrn Bürgermeister Thomas Firmenich, der die Ausstellung ermöglichte und Herrn Dr. Mykola Borovyk für seinen Einsatz und seine gleich folgenden einleitenden Worte.

Gestatten Sie mir, Herrn Presley, den Namensgeber der Stiftung, zum Abschluss meiner Grußworte zu zitieren: „Erst Bildung schafft die Möglichkeit zur Freiheit bzw. in die Nähe von Freiheit zu kommen und gibt die Möglichkeit zur Beteiligung an demokratischer Entwicklung und Mitgestaltung einer Gesellschaft“

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass diese Gedenkstätte und damit dieses
Zentrum wie bisher und weiterhin für alle Besucherinnen und Besucher der Eintritt sein wird, um der nötigen Tiefe in der Auseinandersetzung mit der Geschichte, insbesondere mit der „deutschen“ Geschichte und damit dem Faschismus näher zu kommen.

Dr. Mykola Borovyk, Wissenschaftlicher Projektmitarbeiter Gedenkstätte KZ Sachsenburg, Kommunikations – und Dokumentationszentrum

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zunächst Ihnen für Ihr Interesse zu unserer Vernissage danken. Wir eröffnen heute in unserer Stadt die Wanderausstellung „Gegen das Vergessen“, die die François Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora präsentiert. Wie Sie es sehen können, handelt es sich um eine Ausstellung von Kinderzeichnungen über das Leben und den Tod in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Diese Zeichnungen wurden von einem jüdischen Jungen angefertigt, dessen richtiger Name uns nicht bekannt ist, da er nach seiner Befreiung einen neuen Namen annahm - Thomas Geve. Im Sommer 1943 wurde er zusammen mit seiner Mutter von den Nazis aus ihrer Berliner Wohnung und durch das Sammellager in Berlin nach Auschwitz geschickt. Thomas Geves Mutter kehrte nie aus diesem Lager zurück. Aber Thomas, der damals erst 13 Jahre alt war, wurde bei dem berüchtigten Selektionsprozess für arbeitsfähig befunden, arbeitete als Maurer und konnte die harte Arbeit ertragen und so überleben.

Als sich die Rote Armee Auschwitz näherte, wurde Thomas Geve zusammen mit anderen Häftlingen in das Konzentrationslager Groß-Rosen und später in das KZ Buchenwald verlegt. Im April 1945 wurde er von der amerikanischen Armee befreit. Nach seiner Entlassung in einem Rehabilitationszentrum in der Schweiz fertigte Thomas Geve eine Reihe von Zeichnungen an. Mit den Zeichnungen wollte er seinem Vater, der noch vor dem Krieg nach London ausreisen konnte, von seinem Leben im Lager erzählen. Aber ich glaube, vor allem, wollte er noch mehr von der Realität der Nazilager im Allgemeinen berichten.

Die Lager, von denen Thomas Geve spricht, Auschwitz und Buchenwald, sind allgemein bekannt. Sie wurden zu echten Symbolen des Naziregimes. Doch das Lagersystem, das Thomas Geve erleben musste, ist nicht aus dem Nichts entstanden. Das System wurde schrittweise aufgebaut, indem die Organisationsformen und Terrorpraktiken entwickelt wurden, Personen ausgebildet wurden, die für das Funktionieren des Systems fähig waren. Und dieser Prozess begann hier, in Lagern wie Sachsenburg.

Im KZ Sachsenburg gab es keine Gaskammern wie in Auschwitz, kein Krematorium wie in Buchenwald, keine Hinrichtungen, aber schon willkürliche Folterungen und Morde, Prügelstrafe vor den Augen der anderen Häftlingen, bei denen die Bestraften die Schläge laut zählen mussten, wie in Buchenwald. Es gab erschöpfende Arbeit, stundenlange Appelle und eine Hierarchie von sogenannten Funktionshäftlingen. Die Wachleute, die hier Dienst taten, setzten später ihre Täter-Karriere in Buchenwald, Sachsenhausen, Gros Rosen und anderen Lagern fort. Diese Ausstellung zeigen wir hier, weil sie uns das Ende des Weges zeigt, der hier in Sachsenburg begonnen hat. Und damals, als es begann, konnten wahrscheinlich nur wenige Menschen vorhersehen, was das Ende sein würde.

Emotional berührt uns diese Ausstellung beim ersten Blick, denn sie vereint Kindheit und Tod. Die Dinge, die für uns, für die Menschen, die in friedlichen und wohlhabenden Gesellschaften geboren und aufgewachsen sind, unvereinbar sind. Aber ich möchte die Aufmerksamkeit auf Dinge lenken, die mir nicht so offensichtlich, aber nicht weniger wichtig erscheinen. Was mich in dieser Ausstellung beeindruckt, ist die Tatsache, dass es sich um eine Geschichte handelt, die von einem sehr jungen Menschen anhand von Kinderzeichnungen erzählt wird, aber auf eine erwachsene Art und Weise. Dies ist nicht nur eine Geschichte über Angst, Leid und Tod, sondern eine Geschichte über Überleben und Widerstand. Und es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden. Diese Zeichnungen wirken wie eine Chronik, eine detaillierte, gründliche und nüchterne Chronik des Terrors und des Kampfes ums Überleben.


Thomas Geve wurde die Kindheit gestohlen und er wurde zum Tode verurteilt, aber er wurde schnell erwachsen, hat überlebt und dadurch gewonnen. In dem Film, der Teil der Ausstellung ist, sagt Herr Geve, dass er im Lager nie geweint hat, weil er früh begriffen hat, dass er nur auf sich selbst aufpassen muss. Nach dem Lager lebte Thomas Geve eine Zeit lang bei seinem Vater in London, studierte dort Ingenieurwesen und zog dann nach Israel. Es wird nicht oft erwähnt, aber Thomas Geve nahm als Soldat an sämtlichen arabisch-israelischen Kriegen teil und verteidigte sich und sein Land. In jedem weiteren Krieg, wie er selbst sagt, mit einem Gefühl wachsender Verantwortung.

Jedes Mal, wenn wir uns an die schrecklichen Zeiten erinnerten, von denen diese Ausstellung erzählt, taten wir dies, um zu verhindern, dass sich eine solche Tragödie wiederholt, um wachsam zu sein. Aufklärung ist Abwehr. So steht es auf dem Banner dieser Ausstellung. Und das ist richtig. Aber jetzt erscheint eine Wiederholung der schrecklichen Verbrechen, die die Welt im 20. Jahrhundert erlebt hat, nicht mehr undenkbar. Und das bedeutet, dass diese Geschichte nicht ganz richtig verstanden wurde und dass wir mehr Aufklärung brauchen. Wir müssen wirklich bereit sein, uns selbst und unsere Werte zu verteidigen. Die Werte, die Grundlage dessen bilden, was wir sind - Freiheit, Menschenwürde, Recht, Gerechtigkeit. Wir müssen endlich bereit sein, als Gesellschaft erwachsen zu werden und zu verstehen, dass wir nicht vor der Realität davonlaufen können und dass die Verantwortung dafür, wie diese Welt morgen aussehen wird, auf uns liegt. Die Geschichte des Lebens von Thomas Geve scheint mir ein sehr wichtiges Beispiel zu sein, das heute mehr denn je an Bedeutung gewonnen hat.

François Maher Presley

Stiftung für Kunst und Kultur
(Gemeinnützige Treuhandstiftung unter dem Dach der Haspa Hamburg Stiftung)
Ecke Adolphsplatz 3, Großer Burstah
20457 Hamburg

 

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