Vermittlung von Kunst und Kultur
Vermittlung von Kunst und Kultur

Gegen das Vergessen, Wanderausstellung 11. Station

Programm zur Vernissage der Ausstellung am Samstag, 09.04.2022, 18 Uhr

Dauer: 10.04.2022 bis 10.05.2022

 

im Mittelsächsisches Theater Döbeln

 

Begrüßung durch Matthias Damm, Landrat Mittelsachsen

 

Einführung durch Dr. med. Rudolf Wilhelm Lehle, Vorsitzender CDU-Fraktion Döbeln

 

Musikalischer Rahmen durch Mitglieder der Mittelsächsischen Philharmonie

Mauthausen-Kantate

Text: Iakovos Kambanelis / Nikos Gatsos (Deutsche: Gisela Steineckert)

Musik: Mikis Theodorakis, Solistin: Uta Simone, musikalische Leitung: José Gutièrrez

 

Auszug aus der Gästeliste

Blech, Steffen (Bürgermeister a.D. Waldheim)

Buschmann, Axel (Vorsitzender SPD-Fraktion Döbeln)

Graetz, Dr. Manfred (Landrat a.D.)

Gröll, Matthias (Mitglied Kreisvorstand CDU) 

Höhme, Michael (Schulleiter Lessing-Gymnasium Döbeln)

Kermes, Lutz (Direktor Amtsgericht Döbeln)

Ließke, Ingo (Stadtrat Waldheim)

Maaß, Dr. Anita (Bürgermeisterin Lommatzsch, Landesparteivorsitzende FDP Sachsen)

Ploß, Berno (Stadtrat Döbeln)

Schulze, Ralf-Peter (Intendant Mittelsächsisches Theater und Philharmonie)

Steinbach, Arndt (Landrat a.D., GF Kommunaler Schadendsausgleich - KSA)

 

Dr. Rudolf W. Lehle

Sehr geehrter Herr Landrat Damm,

seien Sie als Schirmherr dieser Ausstellung herzlich begrüßt! Wir danken für Ihr aktuelles Grußwort! Sie haben ausgesprochen, was uns Alle bewegt. Herzlichen Dank dafür!

Ja, die Schrecken lassen sich nicht aufrechnen. Kein Leid und kein Unrecht werden kleiner durch neues Leid. Es ist unsere fortwährende Verantwortung, dass wir uns auch in schwieriger Zeit der eigenen Vergangenheit stellen!

Ich darf weiterhin begrüßen die sehr geehrten Herrn Landräte außer Dienst
Dr. Graetz und Steinbach,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Liebhauser,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Maaß,


und jetzt:
sehr geehrter Herr Bürgermeister a. D. Blech, lieber Steffen, Dich begrüße ich als von Anfang an unentbehrlichen, entscheidenden Förderer dieses Projekts und heute als Vertreter der "François Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur", der wir dieses große Projekt der Wanderausstellung 2020 bis 2022 ja in vollem Umfang verdanken.

Wir danken in besonderer Weise dem Namensgeber und Gründer der Stiftung ganz persönlich. Herr Presley ist gegenwärtig leider verreist! Wir bitten daher Dich, lieber Steffen, unseren Dank und unsere Wertschätzung zu überbringen.

sehr geehrte Damen und Herrn,
seien Sie Alle herzlich begrüßt und willkommen geheißen zu dieser feierlichen Ausstellungseröffnung! Ich freue mich insbesondere über das Interesse der jüngeren Generation an diesem schwierigen Thema!

Herr OStD Höhme seien Sie herzlich willkommen!

Wir danken schon jetzt dem Mittelsächsischen Theater, den Musikern und den weiteren Mitwirkenden in der Technik, wie Herrn Stadtrat Ploß.

Dem langjährigen Intendanten Ralf-Peter Schulze danke ich persönlich für sein Engagement gerade auch für dieses Thema!

Die Opfer des Massenmordes in deutschem Namen sind scheinbar namenlos, die Schicksale sind so unglaublich, die Zahlen so immens, die Verbrechen sind so unmenschlich und so ungeheuerlich. Sie lassen sich kaum erahnen.

Der Tod von Tausenden, ja von Millionen Menschen entzieht sich jeder heutigen Vorstellung. Mitgefühl findet keinen Halt in bloßen Zahlen.

Der einzelne Mensch, die einzelne Familie können hingegen Betroffenheit, Trauer, Scham wecken, ja Schweigen. Das ist der Grund, warum der Film „Holocaust“ im Jahr 1979 mit dem Schicksal der einen
 jüdischen Familie Weiss solche Beachtung fand. 

Wir lesen in Quellen und Dokumenten. Wir können an die Orte des organisierten Terrors reisen. Alles informiert, aber Vieles bleibt ohne emotional fassbare Vorstellung, rührt uns nicht unmittelbar an.

Das ist mit Bildern anders. Bilder müssen nicht vom Buchstaben in die Worte, schließlich in die Vorstellung und in die damit verbundenen Gefühle der Betrachter übersetzt werden. Bilder wirken sofort und unmittelbar. Gesichter, Qual, Schmerz, Erniedrigung, Hunger, Haut und Knochen, Selektion am Bahngleis, Tod durch Gas oder Tod durch Arbeitssklaverei, grenzenloses Elend, Krematorien, Rauchfahnen  –  und –  saubere, korrekt sitzende deutsche Uniformen andererseits.  Das Grauen der Bilder.

Mit dieser Ausstellung sind heute hauptsächlich keine Fotographien zu sehen, aber authentische Bilder sind zu sehen vom Ort des Geschehens, die wenige Wochen nach der Befreiung in Buchenwald entstanden.

79 Zeichnungen hat Thomas Geve (geboren 1929) im Alter von 15 Jahren angefertigt. Mit Bleistift und sieben verschiedenfarbigen Stiften auf Papierbögen der SS. Bilder aus den frischen Erinnerungen an die eigenen Erlebnisse in den Konzentrationslagern Auschwitz, Groß-Rosen und Buchenwald.

Geve wurde 1943 mit seiner Mutter von Berlin nach Auschwitz deportiert. Seine Mutter wurde in Auschwitz ermordet.

Die Zeichnungen zeigen Lagepläne, sie zeigen schematisch die Binnenstruktur der Konzentrationslager, die Anordnung der Baracken und der Zäune, die Abläufe von Appell, von Zwangsarbeit und willkürlichen Bestrafungen. Sie dokumentieren ohne Emotion und ohne Scheu, fast ohne Worte und ohne Anklage, einfach nur mit Strichen das  Grauen mit wenigen Farben blau für Häftlingskleidung und braun für die anonymen Täter.  Dargestellt werden die Abläufe von der Ankunft der Häftlinge, von Desinfektion, von Tätowierungen und selbst die teuflisch-täuschend organisierten Abläufe in Gaskammern und Krematorien werden mit der Akribie der Striche dargestellt. Die kleinen Darstellungen erfordern eine genaue Betrachtung. Die Zeit des Geschehens ist gleichsam angehalten. Die in Strichen dargestellten Menschen schreien nicht mehr. Diese Darstellungsweise schafft abstrakte Distanz zum historischen Geschehen, illustriert einfach die Vorgänge. Geradezu unvorstellbar was diese Strichzeichnungen wirklich darstellen, welche Geschichten da angedeutet werden. Wir haben gleichsam die Baupläne des Horrors jetzt vor Augen durch die Augen eines Jugendlichen.

Wobei die Realität der Mordfabriken sich jeder  Bearbeitung und Wiedergabe in letzter Konsequenz entzieht. Das Böse der Tat ist nicht darstellbar, nur die Spuren und Zeugnisse davon.

Die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten und der Krieg ging in Deutschland an keiner Familie vorüber. Die Geschichten von aktiver Teilnahme am Krieg bis hin zu Verbrechen, von Unterlassung, Anpassung, bis zum sehr seltenen aktiven Widerstand sind sehr vielgestaltig. Die nachträglichen Rechtfertigungen ebenso. Die Verluste von Leben, Gesundheit, Angehörigen, Heimat, Haus und Gut sind denkbar unterschiedlich.

Diese vielgestaltigen Schicksale der Deutschen, also unserer Vorfahren, relativieren aber sicher nicht im Geringsten die Verbrechen. Verbrechen wurden nicht von allen Deutschen, aber doch von vielen Deutschen begangen.

Opfer gab es auf allen Seiten, ja,  aber die verantwortlichen Täter in den Konzentrationslagern waren Deutsche. Das muss uns bewusst bleiben. Es wurden in deutschem Namen mit deutschen Uniformen Verbrechen verübt, nicht nur im Namen einer Partei. So einfach können wir es uns nicht machen.

Kurz nach dem Krieg sagten Viele:

„Wir,  . . . wir haben davon nichts gewusst. Ja schon, wir haben gesehen, dass Juden abgeholt wurden, dass ihre Wohnungen frei wurden und die Möbel versteigert wurden. Ja, das wussten wir. Sie kamen auch nicht zurück, das sahen wir, aber was im Osten geschah, das wussten wir nicht.

Nach den öffentlichen Reden und den Inhalten der Hetzschriften hätte man es aber freilich ahnen können, sagen wir heute. Die meisten Deutschen hatten vermutlich keine persönliche Vorstellung von den Verbrechen – auch, weil sie nichts davon ahnen oder gar wissen wollten!

So sahen die weitaus meisten Deutschen diese hier gezeigten Sachverhalte, Fotographien oder Filme erst nach dem Krieg, wenn denn überhaupt, gelegentlich sogar nur unter Zwang, wie die Bürger von Weimar in Buchenwald. Der Geschichtsunterricht endete bis in die 1950er und teilweise bis in die 60er Jahre oftmals vor 1933 (Anm.: Erfahrungen mit Bezug auf die Bundesrep. Dtl.). Die Geschichtslehrer sprachen lieber von Karl dem Großen und Friedrich Barbarossa, als von der Zeit, die sie selbst erlebten und gestalteten.

Diese Bilder des Grauens hätten vielleicht doch Schuldgefühle wecken können, bei aller geäußerten, kollektiven Schuldabwehr. Schuldgefühle sind aber sehr schwer zu ertragen, so schwer, dass viele Zeitgenossen sie erst gar nicht aufkommen ließen.

Sehr geehrte Damen und Herrn,
so wie die Schlacht im Teutoburger Wald und die deutschen Kaiser, so wie Martin Luther, die deutschen Dichter und Denker, Komponisten und Maler, Ingenieure und Wissenschaftler ein Teil unserer deutschen Geschichte und Kultur sind, so ist und bleibt auch der NS-Staat ein grauenhaft bedeutender, weil der furchtbarste Teil unserer Geschichte, solange es Menschen und solange es Geschichte geben wird.

Sicherlich sind wir, die wir nach dem Ende dieser Diktatur geboren wurden, frei von persönlicher Schuld. Aber wir tragen Verantwortung als Deutsche für dieses Land und seine Geschichte, für die Erinnerung und die Würdigung der Opfer.

Wir tragen auch Verantwortung für die Erinnerung an die Täter und ihre Untaten. Eine Schande wäre nur, dazu zu schweigen. Und wir tragen Verantwortung für die Weitergabe der Erinnerung. Daher diese Ausstellung gegen das Vergessen!

So schmerzhaft es ist, an das Desinteresse, an die erfolgreiche Anpassung der Vorfahren zu erinnern, an ihre Unterlassungen und an ihre Taten,  somit an die Grundlagen unserer Existenz und Identität zu erinnern, so schmerzhaft es sein kann  –  wir stammen von unseren Müttern und Großmüttern, von unseren Vätern und Großvätern ab!

Wer sich der Deutschen Klassik in Weimar rühmt, muss sich auch mit Buchenwald befassen! Beides ist Deutschland! Beides fügt sich in EINE unteilbare Deutschen Geschichte. Wir können uns nicht nur einen guten oder nur einen bösen Teil der Geschichte heraussuchen.

Und wer sich dieser Verantwortung entziehen will, sei es aus persönlicher Schwäche, aus Ignoranz oder aus politischem Kalkül, der macht sich auch heute noch und wieder schuldig an den Opfern und auch schuldig an den nachfolgenden Generationen.

Auch wir Deutsche haben ein Vaterland, gewiss, aber es ist ein so großes und gleichzeitig ein so schwieriges Erbe, dass Viele es nicht antreten wollen, am liebsten nur das sächsische oder etwa das bayerische, vielleicht auch das preußische Erbe heraustrennen und pflegen wollten, aber es ist Alles unauflöslich hineingewebt in die deutschen Geschichte insgesamt.

Dieses immaterielle Erbe können wir nicht ausschlagen! Es ist der Boden auf dem wir stehen, das Haus in dem wir leben, die Familie aus der wir stammen.

Nach den Worten folgt jetzt der musikalische Teil:
Zur Aufführung gelangt die weltberühmte und berührende Mauthausen-Kantate von Iakovos Kambanellis und Mikis Theodorakis.

Mikis Theodorakis, selbst Widerstandskämpfer gegen den Faschismus, Folteropfer und während des Griechischen Bürgerkriegs (1946-49) Gefangener auf der berüchtigten Gefängnisinsel Makronissos, komponierte diesen, sehr eindringlichen Zyklus von vier Liedern auf die Texte des griechischen Dichters Iakovos Kambanellis.

Griechenland wurde ab 1941 von deutschen Truppen besetzt. Als junger Mann wurde der Dichter Kambanellis auf der Flucht aus Griechenland verhaftet und im Sommer des Jahres 1943 in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht. Er überlebte bis zur Befreiung durch die Amerikaner Anfang Mai 1945.

Die vier Gedichte spiegeln Kambanellis' eigene Erfahrungen in Mauthausen wider, einschließlich seiner Liebe zu einer litauisch-jüdischen Frau inmitten der Gräueltaten, die sie im Lager erlebten.


Ein Lied komponierte Theodorakis nach einer Textvorlage des griechischen Dichters Nikos Gatsos.

Begrüßen Sie jetzt mir die Sopranistin Uta Simone, sie interpretiert für uns den Liederzyklus die "Mauthausen-Kantate".

Begleitet wird Uta Simone von einem, extra für diesen Nachmittag zusammengestellten Sextett der Mittelsächsische Philharmonie, unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister José Luis Gutiérrez Hernandez. 

Sehen wir jetzt  mit innerer Bereitschaft, mit offenem Herzen und Sensibilität, ja in Demut die Zeichnungen aus 1945 von Thomas Geve.

Zusätzlich ist im Foyer eine Videoinstallation zu sehen mit einer Gesprächsaufzeichnung aus 1997 zwischen Thomas Geve und einem in diesem Jahr 15-jährigen Jungen. Geve erläutert auf jeweilige Fragen die Abläufe und persönlichen Erfahrungen aus den Konzentrationslagern.

Reaktionen von BesucherInnen

 

"Ich komme gerade von der Ausstellungseröffnung im Theater Döbeln. Es war sehr würdevoll. Die Reden, vor allem aber Musik und Gesang gingen unter die Haut und haben mich sehr berührt. Herzlichen Dank an Sie und die Stiftung."

 

Dr. Anita Maaß, Bürgermeisterin Lommatzsch und FDP Landesvorsitzende Sachsen

 

 

"Die Eröffnung in Döbeln war sehr elegant, sehr gut besucht und insgesamt sehr emotional."

 

Ingo Ließke, Ratsherr Waldheim

 

François Maher Presley

Stiftung für Kunst und Kultur
(Gemeinnützige Treuhandstiftung unter dem Dach der Haspa Hamburg Stiftung)
Ecke Adolphsplatz 3, Großer Burstah
20457 Hamburg

 

Schreiben Sie uns und nutzen Sie unser Kontaktformular.

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