Veit Lindner, Bürgermeister Stadt Roßwein
Steffen Blech, Bürgermeister a.D. Waldheim (für die FMP Stiftung)
Dauer: 21.09.2021 bis 13.09.2021
Rathaus
Veit Lindner
„Eine Generation, die die Geschichte ignoriert, hat keine Vergangenheit – und keine Zukunft.“
Robert A. Heinlein, Schriftsteller (1907 - 1988)
Diese Ausstellung beschäftigt sich im Kern mit dem Thema der Schuld Nazi-Deutschlands
für begangenes Unrecht und für den millionenfachen Mord an europäischen Mitmenschen sowie für die Verblendung der eigenen Bevölkerung und die daraus resultierende Verantwortung.
Die Ideengeber dieses Ausstellungsprojekts bahnen sich über erhaltene Bilder, Skizzen, Zeichnungen, angefertigt von Häftlingen verschiedener
Konzentrationslager, den Weg in den Lageralltag der Konzentrationslager Großrosen, Auschwitz, Buchenwald u.a. Dieser war geprägt von körperlicher Ausbeutung, Hunger, Entmenschlichung, Gewalt und Tod.
In naher Zukunft wird es keine ZeitzeugInnen mehr geben, die über diese Gräueltaten berichten. Gerade deswegen sind die ausgestellten Werke von unschätzbarem Wert. Zum einen dienen sie als
historische Quelle, veranschaulichen die Zeit in den Lagern und dokumentieren die Verbrechen. Zum anderen sind es individuelle Hinterlassenschaften, die die Erinnerung an die Menschen wach
halten.
Dass diese Ausstellung nun auch in Roßwein gezeigt wird, begrüße ich sehr. Die in den vergangenen drei Jahrzehnten erfolgte Aufarbeitung der lokalen Geschichte brachte den RoßweinerInnen und mir
persönlich die Tatsache nahe, dass auch in Roßwein KZ-Häftlinge durch Zwangsarbeit ausgebeutet wurden.
In Nossen existierte von November 1944 bis 14. April 1945 ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Etwa 650 Häftlinge, unter ihnen Menschen aus Polen und der Sowjetunion sowie etwa 100 Juden, waren
anfänglich in den Kellergeschossen der Klostermühle Nossen untergebracht. Außerhalb der Stadt Nossen bauten Häftlinge ein Barackenlager, welches ihnen dann ab Februar 1945 als Unterkunft diente. Ein
Teil der Häftlinge musste für die Firma Warsitz in Nossen Patronenhülsen herstellen. Die anderen Häftlinge wurden in Roßwein zur Zwangsarbeit eingesetzt. Diese Gefangenen mussten in den Ebro Werken
der Brüder Ernst und Karl Bröers Aluminiumgußteile für die V2-Montage in Mittelbau Dora produzieren. Dafür wurden sie in einem Viehwaggon mit der Bahn täglich von Nossen nach Roßwein gebracht, wo sie
im Mehrschichtsystem arbeiten mussten. Pro Schicht wurden etwa 20 Häftlinge eingesetzt, die nach der Arbeit wieder in das KZ-Außenlager transportiert wurden. SS-Wachmannschaften aus Nossen
beaufsichtigten die Häftlinge während der Arbeit und auf dem Transport. Der Einsatz von KZ-Häftlingen war mit erhöhten Sicherheitsbestimmungen verbunden, so wurde das Betriebsgelände mit einem
Stacheldraht von drei Metern Höhe umzäunt. Auch diesen KZ-Häftlingen widmen wir die Ausstellung, um an sie zu erinnern und ihr Schicksal sichtbar zu machen.
Theoretisches Wissen über den Nationalsozialismus erhielt die Generation, der ich angehöre, im Schulunterricht. Im Rahmen von Klassenfahrten besuchten die SchülerInnen auch die Gedenkstätten
ehemaliger Konzentrationslager. Mich führte eine solche Fahrt in die Gedenkstätte Buchenwald. Das dort abgebildete Grauen haben wohl alle, die mit auf der Fahrt waren, noch in Erinnerung. Aber weder
die Fahrt noch der Unterricht führten dazu, dass wir uns die Frage stellten: „Was passierte in meiner Heimatstadt während der Zeit des Nationalsozialismus?“ Erst in der jüngeren Vergangenheit, in der
sich faschistisches Gedankengut wieder zeigt, Rassismus und Nationalismus wieder zunehmen und die Zivilbevölkerung noch zu oft unsicher im Umgang damit ist, begann auch meine Heimatstadt sich mit
dieser Frage zu beschäftigen.
In den Jahren 2012 bis 2013 initiierte unsere Stadtverwaltung eine Projektstelle, die sich mit dem „Städtischen Leben in der Zeit von 1938 bis 1950“ beschäftigte. Es wurde recherchiert, dokumentiert
und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehört, um die Geschichte zu bewahren und an nachfolgende Generationen weitergeben zu können. Schon Jahre zuvor widmete sich Prof. Dr. Matthias Pfüller von der
ehemals ortsansässigen Fakultät „Soziale Arbeit“ der Hochschule Mittweida diesem Thema. Es entstanden unter seiner Anleitung sowohl eine Ausstellung über den Einsatz von KZ-Häftlingen,
ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen als auch eine Faktensammlung für einen thematischen Stadtrundgang. Im Rahmen von Erzählcafés und durch die Arbeit der AG Geschichte des Treibhaus’ Döbeln e.V.
erfuhren wir weitere Einzelheiten zu dieser Zeit. Seit November 2015 gibt es außerdem zwölf Stolpersteine in Roßwein, die an das ehemalige jüdische Leben in unserer Stadt erinnern. Inzwischen bildet
auch unser jährlicher Veranstaltungskalender feste Termine ab, bei denen sowohl die Kirchgemeinde Roßwein-Niederstriegis, die Stadtverwaltung und der Treibhaus e.V. Erinnerungsarbeit sowie
Aufklärungs- und Informationsarbeit leisten.
Ich begrüße jegliche Aktivitäten, die der Erforschung unserer Geschichte dienen ausdrücklich und würde mir wünschen, dass die Ergebnisse dieser
Recherchen und Zeitzeugenbefragungen zur Folge haben, dass wir alle aus der Geschichte lernen und die aus der deutschen Schuld erwachsenen Verantwortung wahr- und
ernstnehmen.
Steffen Blech
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lindner,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich, Sie auch im Namen der „Francois Maher Presley Stiftung für Kunst und Kultur“ zu dieser Wanderausstellung begrüßen zu können.
Herr Landrat Matthias Damm trat vor einem Jahr an die Stiftung heran und bat um die Organisation und Durchführung einer Ausstellung „Gegen das Vergessen“, um in diesen sehr aufgewühlten Zeiten und anlässlich verschiedener Jahrestage an die Grauen des Nationalsozialismus in Deutschland, insbesondere an deren Opfer zu erinnern. In Zusammenarbeit mit der „Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ gelang es, die Arbeiten des heute in Israel ansässigen und Holocaust-Überlebenden Thomas Geve der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dabei handelt es sich um detailgetreue und einfache Zeichnungen auf SS-Notizpapier, die sehr anschaulich das Leben und Leiden der Inhaftierten in verschiedenen Konzentrationslagern, allerdings auch das Sterben so vieler Millionen Menschen dokumentieren. Er war damals 15 Jahre jung. Zu diesem Themenkomplex ist auch ein Buch unter demselben Titel erschienen. In der Ausstellung finden Sie zudem „Unterschriftskataloge“, Kommentare, die Herr Geve in Buchenwald geschrieben hat, um so die Darstellungen zu vertiefen. Zudem wird eine DVD gezeigt, in der Herr Geve in Buchenwald die Fragen eines „Enkels“ beantwortet. Alle Kosten werden von unserer Stiftung getragen, so dass der öffentlichen Hand keine entstehen.
Unsere Stiftung ist im Bereich Kunst und Kultur in ganz Mittelsachsen engagiert. Neben historischen Ausstellungen führen wir in Schulen Kinderprogramme durch, Lesungen, fördern Theater, Museen, Vereine, betreiben in Waldheim zwei Galerien, die der Öffentlichkeit, Künstlerinnen, Künstlern und den Bürgern und Bürgerinnen zur Verfügung stehen. Unsere vorrangige Aufgabe besteht darin, Menschen mit Kunst und Kultur in Kontakt zu bringen oder zu einer Vertiefung dieses persönlichen Engagements oder Interesse beizutragen.
Unser Dank gilt daher heute Herrn Bürgermeister Veit Lindner, der die Veranstaltung in Roßwein möglich gemacht hat, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere jedoch Frau Ines Lammay, die mit uns zusammengearbeitet hat und uns vor Ort sehr zur Seite stand. Zudem danken wir der Musikschule Mittelsachsen, die uns die beiden jungen Musiker vermittelte. Die heute für den musikalischen Rahmen sorgen.
Ihnen danken wir für Ihr Kommen und würden uns freuen, wenn diese Ausstellung ein Ansporn ist, dieses Thema in Erinnerung zu halten, es vielleicht zu vertiefen und in Ihrem Kreis weiterzutragen.
Vielen Dank.